Bauer und die Grundrechte
Für Fritz Bauer spielten die Menschenrechte und das Grundgesetz eine zentrale Rolle, nicht nur in seiner juristischen Arbeit. In diesem Raum wollen wir beispielhaft einige Grundrechte vorstellen, mit denen sich Bauer inhaltlich auseinandersetzte oder von denen er selbst Gebrauch machte.
Menschenrechte und Grundrechte
Menschenrechte:
Als Menschenrechte werden Rechte eines jeden Menschen bezeichnet, die seiner Existenz inhärent sind. Das heißt, jeder Mensch hat diese Rechte, weil er ein Mensch ist. Sie gelten also für alle Menschen, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrem Geschlecht, ihrem Alter, ihrer Sprache, ihrer politischen Weltanschauung oder ihrer Religion. Diese Rechte sind weiter unveräußerlich, unteilbar und unverzichtbar. Das bedeutet, dass ein Mensch sie niemals verlieren kann, auch dann nicht, wenn er eine schwere Straftat begeht.
Die Menschenrechte gelten international und sind in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen festgeschrieben. Eine Liste deiner Menschenrechte findest du hier.
Beispiele für Menschenrechte sind neben den bereits aufgeführten die Unschuldsvermutung (Art. 11), die festlegt, dass eine Person so lange als unschuldig gilt, bis ihre Schuld in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellt ist. Ebenso das Recht auf Erholung und Freizeit (Art. 24), welches eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit und regelmäßigen bezahlten Urlaub festlegt.
Menschenrechte
Grundrechte:
Als Grundrecht bezeichnet man ein Recht, welches die Bürger*innen eines Staates gegenüber diesem besitzen. Diese Rechte sollten die Bürger*innen ursprünglich vor staatlicher Willkür schützen, heute regeln sie aber auch die Beziehungen der Bürger*innen untereinander. Die Grundrechte, die ein Staat seinen Bürger*innen zugesteht, sind in der Verfassung festgeschrieben und gelten nur im jeweiligen Staat. Anders als die Menschenrechte gelten sie nicht universell. In Deutschland sind die Grundrechte im Grundgesetz festgehalten. Eine Liste deiner Grundrechte findest du hier.
Die Grundrechte lassen sich in der Bundesrepublik Deutschland in vier Kategorien aufteilen; Freiheitsrechte, Gleichheitsrechte, Unverletzlichkeitsrechte und Verfahrensrechte. Freiheitsrechte bestimmen, welche Freiheiten eine Person hat. Gleichheitsrechte garantieren die Gleichbehandlung von Personen durch den Staat, aber auch durch andere Personen. Unverletzlichkeitsrechte verbieten dem Staat in bestimmten Situationen einzugreifen, und Verfahrensrechte garantieren ein faires und nach den Grundsätzen des Rechtsstaats ausgerichtetes Gerichtsverfahren.
Gesetze, die von der Bundesregierung erlassen werden, können die Grundrechte in bestimmter Weise einschränken, dürfen sie aber niemals aufheben.
Beispiele für Grundrechte, die jede und jeder Bürger*in in Deutschland hat, sind neben den bereits aufgeführten Rechten auch das Recht, sich ohne staatliche Genehmigung zu versammeln (Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG) oder das Recht, sich frei auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu bewegen (Recht auf Freizügigkeit, Art. 11 GG).
Grundgesetz
Grundrechtsartikel
Grundgesetz:
Artikel 1
(01) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(02) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(03) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Menschenrechte:
Artikel 1 (Freiheit, Gleichheit, Solidarität):
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.
Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.
Der wohl bekannteste Grundrechtsartikel ist Artikel 1, genauer sein erster Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Bauer legt in seinen Äußerungen viel Gewicht auf den zweiten Satz: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“
Bauer ließ ebendiesen 1. Artikel des Grundgesetzes am Gebäude des Frankfurter Landgerichts anbringen und verewigte sich dort somit mit seiner Haltung im Amt. Bereits als Kind wollte Bauer Jurist werden, denn ein Jurist “ist an die Gesetze gebunden, deren wichtigste die Menschenrechte sind.” Ebenso sieht Bauer in Artikel 1 die Verantwortung, dass jede Person der Einhaltung dieses Rechtes seinen Mitmenschen gegenüber verpflichtet ist.
Die Achtung der Würde eines Menschen spiegelt sich auch in Bauers Äußerungen zum Soldatengesetz wider. Die Menschenwürde ist ein Kollektivgut und steht damit uneingeschränkt jedem zu. Die Pflicht, dieses Gut zu schützen, steht damit an höchster Stelle.
Im Falle des Soldatengesetzes besteht sogar die „Pflicht zur Gehorsamsverweigerung, wenn Verbrechen befohlen werden oder reine Verletzung der eigenen Menschenwürde oder der Menschenwürde anderer gefordert wird.“ Bauer geht noch einen Schritt weiter, er schreibt: „Aus der Erkenntnis, daß Gesetze und Befehle, die gegen das Fundament jeden Rechts, gegen Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit verstoßen, nichtig, ja Verbrechen sind, folgt die Verpflichtung zum passiven Widerstand, die Verpflichtung zum passiven Widerstand, die Verpflichtung zum Ungehorsam, zum Nein dessen, der zur Mitwirkung an dem verbrecherischen Tun aufgerufen ist Die Widerstandskämpfer haben diese Konsequenz für ihre Person gezogen.“ Inkludiert wird gleichzeitig der Schutz der eigenen Menschenwürde, die sich in aktiven Handlungen zeigt.
Literaturhinweise:
„Im Kampf um des Menschen Rechte“, in: Vorgänge. Eine kulturpolitische Korrespondenz, Jg. 8, H. 6 (1969), s. 205-210, hier s. 205.
„Vom Recht auf Widerstand. Das Vermächtnis des 20. Juli an die Justiz“, in: Stuttgarter Zeitung, 20.7.1962, 2. Spalte.
„Widerstandsrecht und Widerstandspflicht des Staatsbürgers“, in: Martin Niemöller, Tempelreinigung: Predigt über Johannes 2, 13-22. Frankfurt/M. 1962, s. 56
Fritz Bauer, 1903-1968. Eine Biographie, Irmtrud Wojak, BUXUS EDITION, s. 428.
Grundgesetz
Artikel 5
(01) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(02) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(03) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Menschenrechte
Artikel 27
Freiheit des Kulturlebens
(01) Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben. (02) Alle Menschen haben das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihnen als Urheber*innen von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.
Fritz Bauer setzte sich, sowohl als Jurist, aber auch als Freund der Kunst, stark für die Freiheit von Kunst und Wissenschaft ein. In seinen Aufsätzen nimmt er oft Bezug zu Literatur und Kunst, besuchte selbst oft das Theater.
1962 wurde gegen die Städtischen Bühnen Augsburg ein Verfahren eingeleitet, da eine Aufführung einer Mozart-Oper, „Figaros Hochzeit“ als ‚obszön‘ angesehen wurde. In einem Brief an den Chefdramaturg Dr. Egon Kochanowsky, schreibt Bauer kurz und knapp: „Steht der Kunstcharakter fest, muß das Strafgesetzbuch oder das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdenden Schrifttums zurücktreten. Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes bestimmt nämlich: ‚Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.‘“ (Fritz Bauer, Kleine Schriften, S. 1068)
Auch die Frage nach dem Schutz der Jugend, wie sie in Artikel 5 Absatz 2 zu finden ist, stellt sich hier nicht. Diese Einschränkung findet sich lediglich in der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit aus Absatz 1. Weiter zitiert Bauer noch §1 Abs. 2 aus dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, in dem es heißt, dass Schriften nicht als jugendgefährdend gelten, wenn sie der Kunst, Wissenschaft, Lehre oder Forschung dienen (Fritz Bauer, Kleine Schriften, S. 1068).
„Aus dem Unbewußten gespeist, widersetzt sich die Kunst der Ratio, die die staatlichen Stellen für sich in Anspruch nehmen. Staat will Verdrängung, Kunst will Verdrängtes befreien. Sie ist Bewußtmachung des Unbewußten, Ausspruch des sozial Unausgesprochenen. Als ‚sinnende Möglichkeit neuer Welten und Zeiten‘ (Rilke) ist Kunst im Prinzip staatsgefährdend.“
Fritz Bauer, „Kunstzensur (Aus dem Nachlass)“, in: Streit-Zeitschrift, 13. Jg. (1969), H. VII/1, S. 42-47, hier s. 44.
Literaturhinweise:
Fritz Bauer, „Kunstzensur (Aus dem Nachlaß)“, in: Streit-Zeitschrift, 13. Jg. (1969), H. VII/1, S. 42-47.
Fritz Bauer: Kleine Schriften /1962-1969). Herausgegeben von Lena Foljanty und David Johst, Band 2, Campus Verlag, 2018, s. 1066-1068.
Fritz Bauer, “Darf Kunst alles? – Das Grundgesetz sagt: ja.” Rheinischer Merkur, Nr. 48, 27. November 1964, s. 10.
Grundgesetz
Artikel 3
(01) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(02) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(03) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Menschenrechte
Artikel 8
Anspruch auf Rechtsschutz
Jeder Mensch hat Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei den zuständigen innerstaatlichen Gerichten gegen Handlungen, durch die die ihm nach der Verfassung oder nach dem Gesetz zustehenden Grundrechte verletzt werden.
Artikel 10
Anspruch auf faires Gerichtsverfahren
Jeder Mensch hat bei der Feststellung der eigenen Rechte und Pflichten sowie bei einer gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.
„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ ist auch heute noch der grundlegende Maßstab des deutschen Rechtssystems. Art. 3 des Grundgesetzes garantiert so, dass jede Person, unabhängig davon wer sie ist oder wo sie herkommt, dieselben Möglichkeiten beispielsweise bei der Zugänglichkeit zu einem fairen Verfahren erhält. Auch für Fritz Bauer ist die aus dem Artikel resultierende Gleichheit ein elementarer Bestandteil des deutschen Rechtssystems: „Das kriminologische Recht ist demokratisch, es nimmt die Gleichheit aller Menschen ernst und strebt nach einem Wir-Verhältnis, nach einem Ich und Du, nach einem Miteinander. Es ist mitbürgerlich und mitmenschlich.“
- „Das kriminologische Recht ist demokratisch, es nimmt die Gleichheit aller Menschen ernst und strebt nach einem Wir-Verhältnis, nach einem Ich und Du, nach einem Miteinander. Es ist mitbürgerlich und mitmenschlich.“ (Das Verbrechen und die Gesellschaft)
- „Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich, nämlich, daß alle Menschen gleich geschafen sind, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, unter denen sich Leben, Freiheit und das Streben nach Glück befinden.“ (Die Stärke der Demokratie 1954, S. 48)
- „Die Gleichberechtigung ist auch unteilbar; die Gleichstellung von Mann und Frau ist ein Anwendungsfall des unabdingbaren Satzes, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, und niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubbens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.“ (Die Stärke der Demokratie 1954, S. 50)
Literaturhinweise:
Fritz Bauer: „Die Stärke der Demokratie“, in: Geist und Tat. Monatsschrift für Recht, Freiheit und Kultur, Jg. 9 (1954), H. 2, S. 42-45.
Fritz Bauer: Das Verbrechen und die Gesellschaft. München, Basel 1957.
Grundgesetz
Artikel 4
(01) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(02) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(03) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Menschenrechte
Artikel 18
Gedanken-, Gewissens-, Religionsfreiheit
Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, die Religion oder Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, die eigene Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.
Zwar beschrieb sich Fritz Bauer selbst als „glaubenslos“, seine deutsch-jüdische Herkunft hatte dennoch immer wieder Auswirkungen für ihn. Bereits in der Schulzeit kam es zu einem antisemitischen Vorfall, bei dem Mitschüler*innen Fritz Bauer vorwerfen, er und seine Eltern hätten Christus umgebracht. In seinemElternhaus spielten religiöse Traditionen und Brauche indes kaum eine Rolle. Von seiner Mutter übernahm der Knabe die in fast allen Religionen der Welt bekannte Goldene Regel: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“
„Die Gleichberechtigung ist auch unteilbar; die Gleichstellung von Mann und Frau ist ein Anwendungsfall des unabdingbaren Satzes, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, und niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubbens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.“ (Die Stärke der Demokratie 1954, S. 50)
Literaturhinweise:
Fritz Bauer: „Die Stärke der Demokratie“, in: Geist und Tat. Monatsschrift für Recht, Freiheit und Kultur, Jg. 9 (1954), H. 2, S. 42-45.
Fritz Bauer: „Im Kampf um des Menschen Rechte“, in: Vorgänge. Eine kulturpolitische Korrespondenz, Jg. 8, H. 6 (1969), s. 205-210, hier S. 205.
Grundrecht
Artikel 16a
(01) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(02) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(03) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(04) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(05) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Menschenrechte
Artikel 14
(01) Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.
(02) Dieses Recht kann nicht in Anspruch genommen werden im Falle einer Strafverfolgung, die tatsächlich aufgrund von Verbrechen nichtpolitischer Art oder aufgrund von Handlungen erfolgt, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen.
Asyl und Migration sind für Fritz Bauer vor allem nach der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten entscheidende Themen. Um der Verfolgung zu entkommen, emigriert Bauer Ende 1935 nach Dänemark. Während der Grenzübergang Bauers noch ohne nennenswerte Probleme, wahrscheinlich weil er einen gültigen deutschen Pass besaß, vonstattenging, musste er schnell feststellen, dass auch Dänemark kein wirklich sicherer Ort für ihn war. Gerade wegen seines deutschen Passes glauben die dänischen Behörden die Fluchtgeschichte Bauers, die kurze KZ-Haft und die politische Verfolgung, zunächst nicht. Erst nach einem Gespräch mit Hans Hedtoft, dem späteren Ministerpräsidenten, gelang es Bauer, einen Aufenthaltstitel zu bekommen und als politisch Verfolgter anerkannt zu werden. Nach Erhalt der Papiere eröffnete sich Fritz Bauer das nächste Problem, mit dem auch viele migrantische Personen auch heute noch zu kämpfen haben:
Die Arbeitserlaubnis. Die Zeit in Dänemark bleibt bis zu ihrem Ende geprägt von Behördengängen und der ständigen Überprüfung der Gesinnung Bauers. Als die dänische Kollaboration mit den Nationalsozialisten immer enger wurde, steigt auch die Zahl antisemitischer Übergriffe und Fritz Bauer muss erneut fliehen, dieses Mal nach Schweden.
Auch Schweden, vor allem wegen seiner restriktiven Asylpolitik, wird jedoch nicht zum Paradies für Bauer werden. Ähnlich wie in Dänemark, werden auch in Schweden Geflüchtete gegen die „eigenen“ Arbeitslosen ausgespielt, Schweden sollte nicht „das Tor werden, durch das Deutschlands Nichtarier den Weg nach draußen suchten“ (Die Stellungnahme der Sozialverwaltung ist vom Anfang November 1938; vgl. Müssener, Exil in Schweden. Politische und kulturelle Emigration, S. 67).
Viele Details über Bauers Flucht und die erste Zeit in Schweden gibt es nicht. Naheliegend scheint aber, dass er als Sozialdemokrat die Hilfe des Arbetarrörelsen flyktingshjälp, einer Organisation der schwedischen Sozialdemokraten und des Gewerkschaftsbunds, in Anspruch nehmen konnte. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges endet auch Bauers Zeit in Schweden. Bereits einen Monat nach Kriegsende, am 7. Juni 1945, reiste er zunächst zurück nach Kopenhagen und später, 1949, kehrte er nach Deutschland zurück.
- „Nach Erlaß der Nürnberger Gesetze zog ich Emigration einem weiteren Aufenthalt in Deutschland vor und emigrierte Ende 1935 nach Dänemark“. (Lebenslauf Fritz Bauers, verfasst am 3.9.1948 in Kopenhagen, HMJ Wiesbaden, Personalakte Fritz Bauer.)
- „Zu meinen unvergesslichen Erinnerungen gehört unser Zusammentrafen im Bahnhof von Stuttgart, als ich Deutschland verließ. Ich habe Deine optimistischen Worte, die Du damals sprachst, in manchen schweren Jahren nicht vergessen. Ich habe sie oft im Ausland weitererzählt, sie haben anderen und mir Kraft gegeben und Mut gemacht.“ (Fritz Bauer an Carlo Schmid zum 65. Geburtstag 4.12.1961, Archiv der Sozialen Demokratie, AdsD, Bonn, Nachlass C. Schmid, Mappe 972.)
- „Meine Familie floh Ende September 1943 oder anfangs Oktober 1943 von Rørvig nach Mölle. Das Fischerboot wurde von uns bezahlt. Der Preis betrug pro Kopf Dkr. 2000,-. Während der Überfahrt erschien im Kattegat in nahem Abstand ein größeres deutsches Schiff, das anhielt, aber unserem Staunen und zu unserer großen Erleuchtung plötzlich kehrt machte““ (Yahil, Interview mit Bauer, S. 4.)
Quellen- und Literaturhinweise:
Irmtrud Wojak, Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie. Eschenlohe 2019.
Fritz Bauer an Carlo Schmid zum 65. Geburtstag 4.12.1961, Archiv der Sozialen Demokratie (AdsD) Bonn, Nachlass C. Schmid, Mappe 972.
Lebenslauf Fritz Bauers, verfasst am 3.9.1948 in Kopenhagen, HMJ Wiesbaden, Personalakte Fritz Bauer.
Zur Bedeutung der Menschenrechte für Fritz Bauer
In seiner letzten großen Schrift spricht Fritz Bauer von der Suche nach dem „wahren“ und „richtigen“ Recht, auf der wir uns alle befinden und die oft einem Herumirren durch ein Labyrinth gleicht und glich.
In seinen Augen stellt die Geschichte der Menschenrechte keine gradlinige Fortschrittsgeschichte, sondern eine fortwährende Suche nach Recht und Gerechtigkeit mit Höhen und Tiefen dar, die sich durch Widerstand und Ungehorsam auszeichnet.
Im Gegensatz zu idealistischen ideengeschichtlichen Interpretationen sprach er von einem „Kampf um des Menschen Rechte“ und betonte, dass die Menschenrechte den Herrschenden erst mühselig abgerungen werden mussten. Dieser Kampf sei nach wie vor notwendig und ziehe sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit.
Für ihn bildeten Widerstand und Menschenrechte stets die zwei Seiten einer Medaille: Ohne Menschenrechte kein Widerstand und ohne Widerstand keine Menschenrechte.
Folgen wir diesem Geschichts- und Rechtsverständnis, dann weitet sich der Horizont und die Menschenrechte erscheinen als das Erbe der gesamten Menschheit, da zu allen Zeiten und an allen Orten Widerstand geleistet wurde.
Die Spiegel-„Affäre“
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Fritz Bauers Büro 1949
Widerstand nach Bauer
Glossar
https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/pocket-politik/16436/grund-und-menschenrechte/
https://www.bmj.de/DE/Themen/Menschenrechte/BegriffGeschichte/BegriffGeschichte_node.html
https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/was-sind-mr/faq/
https://www.amnesty.de/alle-30-artikel-der-allgemeinen-erklaerung-der-menschenrechte
Bauer, Fritz (1966): Auf der Suche nach dem Recht. Stuttgart: Franckh’sche Verlagshandlung.
Bauer, Fritz (2018): „Im Kampf um des Menschen Rechte“. In: Foljanty, Lena & Johst, David (Hg.): Fritz Bauer. Kleine Schriften (1921-1961). Bd. 1. Frankfurt am Main & New York: Campus Verlag. S. 446-456.
Nguéma, Isaac (1990): „Perspektiven der Menschenrechte in Afrika. Die Wurzeln einer ständigen Herausforderung“. In: EUGRZ, 17. Jg. Heft 13/14. S. 301-305.