05
Genocidium
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Chronik des Holocausts

Robert Mulka Bild von Fritz Bauer
Gerechtigkeit meint innere Anerkennung des anderen.
Fritz Bauer

1933 – 1937

„Wilde Aktionen“ und

Beginn der Verfolgung der Juden und Jüdinnen

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1933
30. Januar 1933 ⏤ (Abb. 1.1)

Adolf Hitler wird von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt und bildet das Kabinett der „nationalen Konzentration“ (Koalition der NSDAP mit der Deutschnationalen Volkspartei, DNVP). Im Parlament besitzt er keine Mehrheit.

28. Februar 1933

Nach dem Reichstagsbrand: Die Verordnung des Reichspräsidenten „zum Schutze von Volk und Staat“ setzt die Grundrechte der Bürger außer Kraft und ermöglicht Hitler die Ausschaltung der politischen Gegner, vor allem der Kommunist*innen und Sozialist*innen.

5. März 1933

Die Reichstagswahlen bringen der Regierung der „nationalen Konzentration“ eine hauchdünne Mehrheit (51,9 Prozent).

6. bis 9. März 1933 ⏤ (Abb. 1.2)

Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte auf dem Berliner Kurfürstendamm, Übergriffe in Chemnitz, Gleiwitz und Breslau.

22. März 1933

Errichtung des KZ Dachau, am 21. März des Gestapo-Gefängnisses Oranienburg.

31. März 1933

Beurlaubung jüdischer Richter*innen und Staatsanwält*innen in Bayern und Preußen, zahllose weitere Berufsverbote folgen.

1. April 1933 ⏤ (Abb. 1.3)

Mit ausdrücklicher Billigung Adolf Hitlers antwortet ein von Gauleiter Julius Streicher und Propagandaminister Goebbels gebildetes „Aktionskomitee“ auf amerikanische Drohungen mit einem Einfuhrstopp deutscher Waren mit einem zunächst für eine Woche geplanten Boykott jüdischer Geschäfte. Die Aktion, die auf Widerstände in der Regierung stößt, wird von Hitler daraufhin auf einen Tag begrenzt. Die ausbleibende Zustimmung der deutschen Öffentlichkeit zeigt, dass die Mobilisierung gegen die Juden und Jüdinnen vorerst noch wenig Chancen besitzt.

7. April 1933

„Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ zur bereits begonnenen Ausschaltung politisch mißliebiger sowie aller „nichtarischen“ Beamt*innen; davon sind auch jüdische Wissenschaftler*innen betroffen, die in großer Zahl vor allem ihre Positionen an den Universitäten verlieren. Auf Drängen Hindenburgs schränkt eine Ausnahme für Frontkämpfer den Wirkungskreis des Gesetzes namentlich für den höheren Dienst ein. Am 4. Mai folgt eine entsprechende Regelung für Arbeiter*innen und Angestellte im öffentlichen Dienst.

22. April 1933

Jüdische Lehrer*innen werden aus den Lehrerverbänden ausgeschlossen. Der Deutsche Apothekerverein führt den „Arierparagraphen“ ein. Jüdischen Ärzt*innen wird die Zulassung zur Krankenkasse entzogen, Neuzulassungen werden verboten. Vom 25. April an gilt der „Arierparagraph“ auch für Sportvereine.

25. April 1933

Das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ verfügt unter diesem Vorwand die zahlenmäßige Beschränkung jüdischer Schüler*innen auf 1,5 Prozent.

10. Mai 1933 ⏤ (Abb. 1.4)

Von der „Deutschen Studentenschaft“ betriebene und von Goebbels unterstützte „Aktion wider den undeutschen Geist“. In allen größeren Universitätsstädten werden Bücher jüdischer und nicht-jüdischer Autor*innen verbrannt: unter anderem die Werke von Karl Marx und Karl Kautsky, Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner, Friedrich Wilhelm Foerster, Siegmund Freund, Emil Ludwig und Werner Hegemann, Theodor Wolff und Georg Bernhard, Erich Maria Remarque, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky.

14. Juli 1933

„Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“: richtet sich vor allem gegen jüdische Zuwanderer*innen aus den ehemaligen Ostgebieten; bis 1939 rund 9.000 namentliche Ausbürgerungen.

26. Juli 1933

Runderlass des Reichsfinanzministers; demnach ist „jüdische Auswanderung“ zu fördern – nach Ausplünderung durch die Erhebung der „Reichsfluchtsteuer“. Durch sie wird praktisch die Auswanderung erschwert.

22. August 1933

In zahlreichen Orten, voran in Berlin-Wannsee, ergeht ein „Badeverbot für Juden“ in öffentlichen Bädern.

17. September 1933 ⏤ (Abb. 1.5)

Gründung der „Reichsvertretung der deutschen Juden“; Präsident: Leo Baeck.

22. September 1933

„Reichskulturkammergesetz“ schließt Juden und Jüdinnen von künstlerischen und journalistischen Berufen aus.

29. September 1933

„Reichserbhofgesetz“: Deutsche*r Bauer*in kann nur sein, wer im Stammbaum bis ins Jahr 1800 zurück „kein jüdisches oder farbiges Blut“ hat.

(Abb. 1.1) Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler am Fenster der Reichskanzlei, Berlin, 30. Januar 1933.© Bundesarchiv, Bild 146-1972-026-11, Aufnahme: Robert Sennecke, Berlin
(Abb. 1.2) Weil die Kommunist*innen für den Brandanschlag auf den Reichstag verantwortlich gemacht werden, finden im Frühjahr 1933 in ganz Deutschland Verhaftungen von Kommunisten*innen statt. Im Bild zu sehen die Verhaftung von Kommunist*innen durch die SA in Berlin am 6. März 1933, dem Tag nach den Reichstagswahlen.© Bundesarchiv, Bild 102-02921A, Georg Pahl
(Abb. 1.3) Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz in Berlin© Gemeinfrei, PD-US, United States Holocaust Memorial Museum
(Abb. 1.4) Am 1. April 1933 um 10.00 Uhr beginnt in ganz Deutschland eine Boykottaktion gegen die Geschäfte jüdischer Eigentümer*innen. SA-Mitglieder bekleben die Schaufenster eines jüdischen Geschäfts.© Bundesarchiv, Bild 102-14468, Georg Pahl
(Abb. 1.5) Porträt von Leo Baeck© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
1934
30. Juni – 2. Juli 1934 ⏤ (Abb. 1.6)

Zahlreiche höhere SA-Führer werden wegen eines angeblich geplanten Putsches von der SS und Gestapo festgenommen und erschossen. SA-Führer Ernst Röhm wird am. 30. Juni von Hitler verhaftet und tags darauf hingerichtet (insgesamt mehr als 83 Tote). Hitler beseitigt mit der Ausschaltung der SA eines der letzten Hindernisse auf dem Weg zur Führerdiktatur.

2. August 1934 ⏤ (Abb. 1.7)

Reichspräsident Paul von Hindenburg stirbt. Hitler wird „Führer und Reichskanzler“, zugleich Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die fortan auf ihn vereidigt wird.

(Abb. 1.6) Liste der Strafvollzugsanstalt Stadelheim in München mit den dort am 30. Juni 1934 eingelieferten Personen. Die sechs auf Befehl Hitlers an diesem Tag erschossenen Personen wurden von der Direktion mit Kreuzen abgehakt. Röhms Name ist ohne Kreuz, er wurde erst am Tag darauf hingerichtet.© Gemeinfrei
(Abb. 1.7) Paul von Hindenburg, Porträt des Fotografen Nicola Perscheid aus dem Jahr 1914. © Gemeinfrei
1935
12. Februar 1935

Juden und Jüdinnen ist das Hissen der Hakenkreuz- und der schwarz-weiß-roten Reichsflagge verboten.

16. März 1935

Gesetz über den Wideraufbau der Wehrmacht und Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht; durch Gesetz vom 21. Mai 1935 sind Juden zur Offizierslaufbahn nicht mehr zugelassen; am 25. Juli werden „Nichtarier“ vom Wehrdienst ausgeschlossen.

11. April 1935

Der Stellvertreter des „Führers“, Rudolf Heß, erneuert die Anordnung: „Parteimitgliedern ist persönlicher Verkehr mit Juden verboten“, ebenso der Einkauf in jüdischen Geschäften.

27. April 1935

Verordnung: „An die für Deutschland im Weltkrieg gefallenen Juden darf nicht mehr erinnert werden“.

Mai – August 1935

Verstärkte Boykottpropaganda gegen Juden und Jüdinnen: Alle Kommunalbehörden sowie Parteidienststellen und NS-Organisationen sollen die „nationale Aufgabe“ des Wirtschaftsboykotts durchführen. Gleichzeitig wird Juden und Jüdinnen der Besuch von Kinos, Schwimmbädern, Erholungsanlagen und Kurorten verboten.

10. – 16. September 1935 ⏤ (Abb. 1.8)

„Parteitag der Freiheit“, bei dem der Reichstag die „Nürnberger Gesetze“ (15. September) beschließt:

  1. „Reichsbürgergesetz“: Reichsbürger sind nur Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes. Der Reichsbürger ist der alleinige Träger der politischen Rechte
  2. „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“: § 1: Eheschließungen zwischen Juden und Jüdinnen und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes sind verboten. Trotzdem geschlossene Ehen sind nichtig. § 2: Außerehelicher Verkehr zwischen Juden und Jüdinnen und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes ist verboten. § 3: Juden und Jüdinnen dürfen weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes unter 45 Jahren in ihrem Haushalt nicht mehr beschäftigen.

Die bis 1943 erlassenen Durchführungsverordnungen schaffen den rechtstechnischen Rahmen für die antijüdischen Maßnahmen im Deutschen Reich.

14. November 1935

Nach monatelangen Auseinandersetzungen zwischen Partei und Ministerialbürokratie wird mit der 1. Durchführungsverordnung zum „Reichsbürgergesetz“ festgelegt: Juden und Jüdinnen können nicht Reichsbürger*innen sein, haben kein politisches Stimmrecht und können kein öffentliches Amt bekleiden. „Halbjuden“, sofern nicht der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörig oder mit Juden und Jüdinnen verheiratet, sind von den „Nürnberger Gesetzen“ ausgenommen.

13. Dezember 1935

Zulassungsverbot für „nichtarische“ Ärzt*innen; Verbot für Juden und Jüdinnen, Apotheken zu pachten.

21. Dezember 1935

1. Durchführungsverordnung: Jüdische Ärzt*innen, Professor*innen und Lehrer*innen werden aus dem Staatsdienst entfernt.

(Abb. 1.8) Titelseite des Reichsgesetzblatt Teil I Nr. 100, in dem am 16. September 1935 die drei Gesetze verkündet wurden, die die Nürnberger Gesetze konstituierten. Auf der Titelseite zu sehen ist das Reichsflaggengesetz.© Gemeinfrei
1936
15. Mai 1936

Der Präsident des „Volksgerichtshofs“, Otto Thierack, wird ernannt. Thierack wird am 20. August 1942 Reichsjustizminister und Roland Freisler sein Nachfolger als Präsident des Volksgerichtshofs. Von 1934-1944: 14.319 Angeklagte, 5.214 Todesurteile.

1937
25. Januar 1937

Juden und Jüdinnen wird Viehhandel verboten.

26. Januar 1937

„Deutsches Beamtengesetz“: Nur Personen „deutschen oder artverwandten Blutes“, die nicht mit Juden und Jüdinnen verheiratet sind, können verbeamtet werden.

13. Februar 1937

Juden und Jüdinnen dürfen keine Notariate mehr übernehmen.

12. Juni 1937

Geheimerlass des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich: „Jüdische Rassenschänder“ sind nach Gefängnishaft ins KZ einzuweisen.

15. Juli 1937 ⏤ (Abb. 1.9)

Errichtung des Konzentrationslagers Buchenwald.

19. Juli 1937 ⏤ (Abb. 1.10)

Im Münchner Haus der Kunst wird die Ausstellung „Entartete Kunst“ eröffnet, zusammengestellt auf Wunsch Hitlers vom Präsidenten der Kunstkammer Hans Ziegler. In der Propagandaschau werden Werke der Moderne als „jüdische Zersetzung“ oder als „Kulturbolschewismus“ verunglimpft, sie zieht täglich um die 20.000 Besucher*innen an, darunter nicht wenige, die die verfemten Bilder noch einmal sehen wollen.

8. November 1937

Reichspropagandaminister Goebbels eröffnet die Wanderausstellung „Der ewige Jude“ in München (in acht Wochen 400.000 Besucher*innen im Deutschen Museum).

(Abb. 1.9) Häftlingsbrief aus dem „KZ Ettersberg“, korrigiert in „KZ Buchenwald“. Auf der Karte ersichtlich ist die Lagerordnung, nach der jeder Häftling im Monat nur 2 Briefe oder 2 Postkarten empfangen und auch absenden darf. Als Absender angegeben: „Schutzhäftling Georg König, Nr. 370, Block 8, Konz.-L. Ettersberg Buchenwald, Post Weimar/Thür.“. Adressiert an: „Frau Frieda König, Halle/Saale." Poststempel vom 15.09.1937.© Gemeinfrei
(Abb. 1.10) Ab 19. Juli 1937 wird im Münchner Haus der Kunst die Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt - zusammengestellt auf Wunsch Hitlers vom Präsidenten der Kunstkammer Hans Ziegler. Die Propagandaschau zieht täglich 20.000 Besucher*innen an. Das Bild Sumpflegende von Paul Klee wurde in der Ausstellung gezeigt. (1919. Öl auf Karton, 47 cm x 40,8 cm.)© Gemeinfrei. Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München und Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München.

1938

Zerstörung des jüdischen

Lebens in Deutschland 

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1938
12. März 1938 ⏤ (Abb. 2.1)

Einmarsch deutscher Truppen in Österreich. In der Begeisterung über den „Anschluss“ kommt es zu schweren Ausschreitungen gegen die österreichischen Juden und Jüdinnen. In der Folge werden in Wien allein 8.000 Einzelhandelsgeschäfte „arisiert“ oder aufgelöst. Der Bereicherungsfeldzug der NSDAP, SA und SS übertrifft alles, was an „wilden“ Aktionen im Reich bislang geschehen war. Beginn der Massenflucht österreichischer Juden und Jüdinnen.

26. April 1938

Die Vorgänge in Österreich verstärken den materiellen Appetit der reichsdeutschen Parteifunktionäre auf das Vermögen der Juden und Jüdinnen und entfalten eine nachhaltige Schubwirkung. Die private und amtliche Bereicherung stößt auf den Widerstand Hermann Görings, der die Finanzen des Vierjahresplans mit dem „jüdischen Vermögen“ aufbessern will. Die Verordnung über die Anmeldung aller „jüdischen Vermögen“ über 5.000 Reichsmark steht am Beginn einer endlosen Kette von Maßnahmen, die den Ausschluss der Juden und Jüdinnen aus dem Wirtschaftsleben zum Ziel haben und die bereits im Gang befindliche „Arisierung“ beschleunigen.

9. Juni 1938 ⏤ (Abb. 2.2)

Beginn des Abbruchs der Münchner Hauptsynagoge „aus verkehrstechnischen Gründen“ (am 10. August in Nürnberg). 

10. Juli 1938

Joseph Goebbels schürt als Gauleiter von Berlin Übergriffe gegenüber Geschäften und Warenhäusern jüdischer Eigentümer*innen, doch stoppt Heydrich für den SD die Pogromwelle, weil sie dem erklärten Ziel, die „Auswanderung der Juden und Jüdinnen“ zu forcieren, zuwiderläuft.

6.-15. Juli 1938 ⏤ (Abb. 2.3)

Errichtung des KZ Dachau, am 21. März des Gestapo-Gefängnisses Oranienburg.

25. Juli 1938

4. Verordnung zum „Reichsbürgergesetz“: Approbationen jüdischer Ärzt*innen erlöschen am 1. September, für Zahnärzt*innen, Tierärzt*innen und Apotheker*innen am 17. Januar 1939.

8. August 1938 ⏤ (Abb. 2.4)

Eine Gruppe von 300 österreichischen und deutschen Häftlingen aus dem KZ Dachau beginnt mit dem Aufbau des Konzentrationslagers Mauthausen in der Nähe von Linz (Oberösterreich). Mauthausen ist bis 1942, als die KZ immer mehr als Arbeitskräftereservoir für die Rüstungsindustrie genutzt werden, ein Todeslager, in dem „Vernichtung durch Arbeit“ eine herausragende Rolle spielt.

17. August 1938

Juden und Jüdinnen, die keinen als „jüdisch“ erkennbaren Vornamen tragen, müssen ab 1. Januar 1939 zusätzlich den Namen Israel bzw. Sarah führen.

September 1938

Antisemitische Übergriffe in Kassel, Rotenburg, Bebra und anderen hessischen Städten; Verschärfung der antisemitischen Hetze durch Julius Streichers Wochenblatt Der Stürmer.

27. September 1938

Berufsverbot für jüdische Rechtsanwält*innen.

5. Oktober 1938

Reisepässe und Kennkarten von Juden und Jüdinnen werden eingezogen, Neuausstellung nur mit Aufdruck „J“.

19. Oktober 1938

Juden und Jüdinnen, die aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden, sind in „geschlossenem Arbeitseinsatz“ zu beschäftigen.

28. Oktober 1938

Die Gestapo versucht, rund 17.000 Juden und Jüdinnen polnischer Staatsangehörigkeit nach Polen abzuschieben; diese werden an der Grenze zurückgewiesen, darunter die Eltern von Herschel Grynszpan.

9. November 1938 ⏤ (Abb. 2.5) (Abb. 2.6)

Novemberpogrome: Goebbels nimmt die Ermordung des Botschaftsrats Ernst-Wilhelm vom Rath in Paris durch Herschel Grynszpan (7. November), der damit auch gegen die Vertreibung seiner Eltern über die Grenze nach Polen protestiert, zum Anlass für eine antijüdische Großaktion. Nur Parteikader nehmen an dem Pogrom teil, das keine allgemeine Verfolgung der Juden und Jüdinnen in Gang bringt. 267 Synagogen werden zerstört, rund 7.500 Geschäfte und fast alle Friedhöfe verwüstet, etwa 30.000 Juden und Jüdinnen verhaftet und in KZ eingewiesen. Die Nazi-Bilanz verzeichnet 91 Todesfälle (laut NS-Parteigericht) und 36 Schwerverletzte. An die Gestapodienststellen ergeht Weisung: „Plünderer sind zu verhaften“, jedoch unterbindet das Reichsjustizministerium die Ermittlungen. Die Presse soll nicht über die Vorfälle berichten.

12. November 1938 ⏤ (Abb. 2.7)

In der von Göring einberufenen Sitzung über die Vorgänge des 9./10. November verurteilt er die Zerstörung von „Volksgut“ und befiehlt „Maßnahmen zur Arisierung der Wirtschaft“. In der „Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben“ wird den Betroffenen auferlegt, „alle Schäden, die durch die Empörung des Volkes über die Hetze des internationalen Judentums gegen das nationalsozialistische Deutschland am 8., 9. und 10. November“ entstanden sind, auf eigene Kosten zu beseitigen. Versicherungsansprüche von Juden und Jüdinnen werden zugunsten des Reiches beschlagnahmt.

In der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ wird der Betrieb von Einzelhandelsgeschäften sowie Handwerks- und Gewerbebetrieben untersagt und den Juden und Jüdinnen als „Strafe für die ruchlosen Verbrechen“ eine Kontribution in Höhe von mehr als 1 Milliarde Reichsmark auferlegt. Von rund 40.000 Betrieben jüdischer Eigentümer sind nach einem Jahr fast 15.000 arisiert und 6.000 liquidiert.

29. November 1938

Juden und Jüdinnen wird das Halten von Brieftauben untersagt.

3. Dezember 1938

Die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ leitet die Zwangsarisierung des gesamten jüdischen Besitzes ein. Zugleich müssen die Betroffenen Wertpapiere und Kapitalbeteiligungen, Juwelen und Kunstgegenstände hinterlegen oder bei staatlichen Ankaufsstellen veräußern. Damit beginnt die vollständige Enteignung der jüdischen Bevölkerung. Führerscheine und Kfz-Zulassungen werden Juden und Jüdinnen entzogen.

(Abb. 2.1) Wiener Juden und Jüdinnen wurden nach dem "Anschluss" Österreichs dazu gezwungen, proösterreichische Parolen von den Gehsteigen zu entfernen. Uniformierte und Zivilist*innen sehen dabei zu.© Gemeinfrei
(Abb. 2.2) Aufnahme der Alte Hauptsynagoge München vom Lenbachplatz aus gesehen, von 1889.© Gemeinfrei
(Abb. 2.3) Der US-amerikanische Unternehmer und Diplomat Myron Taylor spricht auf der Konferenz von Évian, die vom damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt initiiert wurde.© Gemeinfrei
(Abb. 2.4) Der Steinbruch "Wiener Graben" im KZ Mauthausen (1941/42). Hier mussten die KZ-Häftlinge schwere Zwangsarbeit leisten, viele starben dabei.© Archiv der KZ-Gedenkstaette Mauthausen, Herkunft: Vaclav Berdych, F/01/03/06/01.
(Abb. 2.5) Am Tag nach den Novemberpogromen: Zerstörte jüdische Geschäfte.© National Archives and Records Administration, College Park.Source Record ID: Duker Dwork--OSS-731918. Bildarchiv Abraham Pisarek.
(Abb. 2.6) Brand der neuen Synagoge in Oppeln während der Novemberpogrome 1938.© Gemeinfrei
(Abb. 2.7) Anzeige in der NSPAP-Zeitung "Der Führer" vom 22. September 1938:„Kaufhaus Geschwister Knopf in arischem Besitz“. Das Karlsruher Kaufhaus wurde von Max Knopf und seiner Schwester Johanna Knopf geleitet, bis sie im Zuge der Arisierung enteignet wurden.© Gemeinfrei

1939/40 

Ende der Auswanderungspolitik und

Suche nach einer Reservatslösung

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1939
24. Januar 1939

Auf Befehl Görings wird die „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“ unter Heydrich gegründet. Die in der „Reichsvereinigung der deutschen Juden“ zwangsvereinigten jüdischen Organisationen werden ihr unterstellt. Als Geschäftsführer setzt Heydrich Gestapo-Chef Heinrich Müller ein. Dieser beauftragt im Dezember 1939 Hauptsturmführer Adolf Eichmann, der zuvor die erste „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ in Wien gegründet hat, mit der Leitung der „Reichszentrale“. Damit übernehmen SD und SS die Schlüsselrolle in der Politik gegen die Juden und Jüdinnen.

Göring erklärt wörtlich: „Die Auswanderung der Juden aus Deutschland ist mit allen Mitteln zu fördern“, doch diese Stoßrichtung der nationalsozialistischen Politik gegen Juden und Jüdinnen wird durch die rapide Verarmung der Betroffenen immer schwieriger.

Auf Grund der Volkszählung vom Mai 1939 leben noch rund 233.000 Juden und Jüdinnen und 80.000 sogenannte „Mischlinge“ im Deutschen Reich.

30. Januar 1939

Hitler droht in einer Reichstagsrede: „Wenn es dem internationalen Finanzjudentum gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“ Mit dieser von ihm später mehrfach wiederholten Ankündigung will Hitler Druck ausüben auf die an der Konferenz von Evian beteiligten Staaten, von denen erwartet wird, dass sie die Auswanderung der deutschen Juden und Jüdinnen durch Bereitstellung von Devisen und Siedlungsland ermöglichen.

15. März 1939 ⏤ (Abb. 3.1)

Einmarsch der Wehrmacht in die Tschechoslowakei; Errichtung des „Protektorats Böhmen und Mähren“, danach (1. August) Gründung der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ in Prag.

30. April 1939 ⏤ (Abb. 3.2)

Das „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ schafft die Voraussetzung für die jederzeitige Kündigung und Unterbringung der Betroffenen in sogenannten „Judenhäusern“; der gesetzliche Mieterschutz entfällt.

4. Juli 1939

10. Verordnung zum „Reichsbürgergesetz“: Die „Reichsvertretung der deutschen Juden“ wird in die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ umgewandelt und zur Durchführung der Deportationen gezwungen (1943 aufgelöst).

1. September 1939 ⏤ (Abb. 3.3)

Einmarsch in Polen, Beginn des Zweiten Weltkriegs: Durch die Eroberung von Polen wächst die Zahl der im deutschen Machtbereich lebenden Juden und Jüdinnen auf rund vier Millionen – was alle Pläne für eine organisierte Auswanderung zunichtemacht.

Errichtung des KZ Stutthof bei Danzig.

Auf diesen Tag rückdatierter „Führerbefehl“ zur Ermordung psychisch Behinderter. Das „Euthanasieprogramm“ (Aktion „T 4“, genannt nach dem Sitz der Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße Nr. 4) lief im Herbst an; im Dezember 1939/ Januar 1940 kam es zu ersten Vergasungen in Brandenburg-Görden.

8. August 1938

Eine Gruppe von 300 österreichischen und deutschen Häftlingen aus dem KZ Dachau beginnt mit dem Aufbau des Konzentrationslagers Mauthausen in der Nähe von Linz (Oberösterreich). Mauthausen ist bis 1942, als die KZ immer mehr als Arbeitskräftereservoir für die Rüstungsindustrie genutzt werden, ein Todeslager, in dem „Vernichtung durch Arbeit“ eine herausragende Rolle spielt.

27. September 1939

Gründung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), des organisatorischen Zentrums des NS-Terrors; Judenreferent Eichmann organisiert von dort aus bereits am 18. und 20. Oktober erste Deportationen aus Österreich und dem „Protektorat“ nach Polen (Nisko am San).

29. September 1939

Heydrich unterrichtet seine Amtschefs und die „Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD“, die hinter der kämpfenden Truppe Juden und Jüdinnen und Pol*innen exekutieren, von der Absicht, die jüdische und polnische Bevölkerung aus den zu annektierenden Westgebieten (Danzig/Westpreußen, Posen und Ostoberschlesien) in den angrenzenden „fremdsprachigen Gau“ (bald darauf „Generalgouvernement“ genannt) abzuschieben. Heydrich erwägt dafür die Schaffung eines „Reichsghettos“, das zunächst bei Krakau, dann bei Lublin gebildet werden soll.

26. Oktober 1939

Ende des Polenfeldzugs, Annexion der westpolnischen Gebiete und Bildung des „Generalgouvernements“, das gegen den Widerstand des zum Generalgouverneur ernannten Hans Frank als Auffangbecken für die zu deportierenden Juden und Jüdinnen dienen soll. Frank erwägt, die polnischen Juden und Jüdinnen auf sowjetisches Territorium abzuschieben.

30. Oktober 1939

Himmler, inzwischen zum „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“ bestellt, ordnet die Abschiebung von 500.000 Juden und Jüdinnen und Pol*innen aus den annektierten westpolnischen Gebieten – „Warthegau“ (Posen) und Danzig-Westpreußen – in einen noch nicht näher bestimmten Raum zwischen Weichsel und Bug („Generalgouvernement“) an.

19. Dezember 1939

Eichmann wird von Heydrich zum „Sonderbeauftragten für Räumungsangelegenheiten“ im Amt IV D 4 des RSHA ernannt und damit beauftragt, die Deportation von Juden und Jüdinnen sowie die Umsiedlung der Volksdeutschen aus dem Baltikum und dem sowjetischen Ostpolen in die deutschen Ostprovinzen durchzuführen.

Dezember 1939

Erste Massendeportation von rund 87.000 Juden und Jüdinnen und Pol*innen aus dem „Warthegau“ ins „Generalgouvernement“.

(Abb. 3.1) Deutscher Truppen marschieren am 15. März 1939 in Prag ein und ziehen durch eine protestierende Menschenmenge.© Gemeinfrei
(Abb. 3.2) Das ehemalige Judenhaus in der Kellerstraße 1 in Recklinghausen. Die Aufnahme stammt aus den 1960ern.© Stadtarchiv Recklinghausen
(Abb. 3.3) Die zerstörte polnische Stadt Wieluń nach dem deutschen Luftangriff, September 1939.© Gemeinfrei
1940
12./13. Februar 1940

Erste Deportation von Juden und Jüdinnen aus dem Reichsgebiet (Stettin, Schneidemühl und Stralsund) nach Lublin, um Platz für Volksdeutsche zu schaffen.

23. März 1940

Göring untersagt auf Drängen von Generalgouverneur Frank weitere Abschiebungen in das „Generalgouvernement“, damit scheitert das Projekt eines „Judenreservats“ bei Lublin.

Frühjahr 1940 ⏤ (Abb. 3.4) + (Abb. 3.5)

Bildung des Ghettos Łódź, das zum stets überfüllten Umschlagplatz für deportierte Juden und Jüdinnen aus dem Reichsgebiet, dem Warthegau und dem Protektorat Böhmen und Mähren wird. Die unzureichende Ernährung führt im Juli 1941 zu ersten Erwägungen in Eichmanns Judenreferat, wie man die „nicht arbeitsfähigen Juden“ beseitigen könnte.

4. Mai 1940

Himmler ernennt SS-Hauptsturmführer Rudolf Höß zum Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz.

20. Mai 1940

Denkschrift Himmlers über die Behandlung der „Fremdvölkischen im Osten“: Die dort lebende Bevölkerung, die als minderwertig betrachtet wird, soll „als führerloses Arbeitsvolk zur Verfügung stehen und Deutschland jährlich Wanderarbeiter und Arbeiter für besondere Arbeitsvorkommen (Straßen, Steinbrüche, Bauten) stellen.“

14. Juni 1940 ⏤ (Abb. 3.6)

14. Juni 1940
Auschwitz wird als Quarantänelager „in Betrieb“ genommen, wo polnische (politische) Häftlinge „umsortiert“ und in andere Lager weitergeleitet werden.

24. Juni 1940

Der Chef des RSHA, Heydrich, schlägt dem Auswärtigen Amt eine „territoriale Endlösung“ in Übersee vor, da das Gesamtproblem durch Auswanderung nicht zu bewältigen sei. Er greift den zuvor im Auswärtigen Amt erwogenen Plan auf, die französische Insel Madagaskar zum „Judenreservat“ zu machen.

29. Juli 1940

Juden und Jüdinnen im Reich werden die Telefonanschlüsse gekündigt.

September 1940

Uraufführung des Propagandafilms Jud Süss, Regie Veit Harlan.

7. Oktober 1940

Erlass des Reichministers der Luftfahrt und Oberbefehlshabers der Luftwaffe: „Die Benutzung von Luftschutzräumen von Juden kann praktisch nicht verhindert werden, doch soll auf ihre Abtrennung von den übrigen Bewohnern geachtet werden.“

22. Oktober 1940

Deportationen von Juden und Jüdinnen aus Baden, der Saarpfalz und dem Elsass in das nicht besetzte (von Vichy regierte) Südfrankreich.

15. November 1940 ⏤ (Abb. 3.7)

Abriegelung des jüdischen Ghettos in Warschau; darin werden 400.000 Menschen zusammengepfercht.

28. November 1940

Uraufführung des Films Der ewige Jude (Regie: Fritz Hippler), den Goebbels im Oktober 1939 in Auftrag gegeben hat.

4. Dezember 1940

In einer von Eichmann verfassten Vortragsnotiz für Himmler heißt es: „Nach dem Hinzutreten der Massen des Ostens ist eine Bereinigung des Judenproblems durch Auswanderung unmöglich geworden.“ Das betrifft nach Eichmanns Berechnung 5,8 Millionen Juden und Jüdinnen.

(Abb. 3.4) Kinder, Frauen und Männer im Ghetto Łódź im Frühjahr 1940.© Bundesarchiv, Bild 101III-Schilf-002-18, Schilf
(Abb. 3.5) Bild vom Bereich des Ghettos Łódź, der „Zigeunerlager“ genannt wurde. Hierhin wurden zwischen dem 5. und 9. November 1941 über 5.000 Sinti*zze und Rom*nja, darunter über die Hälfte Kinder, deportiert. In diesem, vom restlichen Teil des Ghettos abgetrennten Teil, gab es weder sanitäre Einrichtungen noch Kochgelegenheiten, sodass in kurzer Zeit viele Menschen an Hunger und Typhus starben. Anfang 1942 wurden die Menschen von dort aus in das Vernichtungslager Chełmno deportiert.© United States Holocaust Memorial Museum
(Abb. 3.6) Aufnahme des Konzentrationslagers Auschwitz aus dem Jahr 2019.© Unsplash (Fotograf: Jean Carlo Emer)
(Abb. 3.7) Errichtung einer Mauer des Warschauer Ghettos, Foto entstanden zwischen November 1940 und Juni 1941.© United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of Leopold Page Photographic Collection

1941/42 

Vernichtung der sowjetischen Juden und Jüdinnen durch

Einsatzkommandos, SS-Brigaden und Polizeibataillone 

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1941
8. Januar 1941

Der Chef des RSHA, Heydrich, kündigt die Umsiedlung von 831.000 Pol*innen und Juden und Jüdinnen aus den mit dem Deutschen Reich vereinigten Ostgebieten ins „Generalgouvernement“ an.

15. Februar – 11. März 1941

Deportation von Wiener Juden und Jüdinnen ins „Generalgouvernement“ – damit beginnt Eichmann die systematische Vertreibung der Juden und Jüdinnen aus dem Reichsgebiet sowie der bis dahin eroberten Territorien. Zunächst werden 5.000 alte und kranke Menschen abtransportiert.

1. März 1941 ⏤ (Abb. 3.8)

Reichsführer SS Himmler besichtigt erstmals das KZ Auschwitz. Er befiehlt, Auschwitz I für 30.000 und Auschwitz II für 100.000 sowjetische Kriegsgefangene auszubauen.

März 1941

Eichmann übernimmt im Rahmen des neuen Geschäftsverteilungsplans des RSHA das Amt IV B 4 mit dem Aufgabenbereich „Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten“ (ab November 1941 einfach nur noch „Juden“).

30. März 1941 ⏤ (Abb. 4.1) + (Abb. 4.2)

Vor den Truppenkommandeuren verkündet Hitler die Ziele des „rassischen Vernichtungskrieges“, der zur Zerschlagung der Sowjetunion und Liquidierung des „jüdischen Bolschewismus“ führen müsse. Hitler stößt auf keinen Widerspruch, vielmehr nehmen prominente Truppenführer die antisemitische Diktion in Anweisungen an die Truppe auf. Die „Weisung Nr. 21“ (Fall Barbarossa) unterzeichnete Hitler bereits am 18. Dezember 1940.

März/April 1941

SS-Gruppenführer Reinhard Heydrich und Generalquartiermeister Eduard Wagner vereinbaren, dass die „Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD“ im Krieg gegen die Sowjetunion – anders als im Falle Polen – selbständig und „in eigener Verantwortung“ im Operationsgebiet des Heeres eingesetzt werden und damit nicht den Truppenteilen der Wehrmacht unterstellt sind. Die vier den Heeresgruppen zugeordneten Einsatzgruppen A bis D sind die Hauptträger des Vernichtungskrieges.

4. bis 6. Juni 1941

„Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Rußland“: Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) fordert „rücksichtsloses und energisches Durchgreifen gegen bolschewistische Hetzer, Freischärler, Saboteure, Juden“. Bereits jetzt wird festgelegt, dass Wehrmachtsangehörige wegen solcher, bislang strafbarer Handlungen nicht verfolgt werden sollen. Damit wird willkürlicher Gewaltanwendung gegen Zivilist*innen und Übergriffen gegen Juden und Jüdinnen ein Freibrief erteilt. In diesen Zusammenhang gehört auch der sogenannte „Kommissarbefehl“ (6. Juni) zur Liquidierung der sowjetischen Führungsoffiziere.

17. Juni 1941

Heydrich erklärt vor den Chefs der „Einsatzgruppen“: Der „Weltanschauungskampf“ solle mit rücksichtsloser Härte geführt werden. Auch alle Juden und Jüdinnen in sowjetischen Partei- und Staatsstellungen seien zu liquidieren.

21. Juni 1941 ⏤ (Abb. 4.3)

Himmler lässt einen „Generalplan Ost“ ausarbeiten: Danach sollen 31 Millionen der Bevölkerung Osteuropas vertrieben, das Land zur Ansiedlung von 4,5 Millionen deutscher Bäuer*innen benutzt werden.

22. Juni 1941

Beginn des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion.

16. Juli 1941

Brief des Chefs der Umwandererzentralstelle in Posen, Höppner, an seinen Vorgesetzten Eichmann im RSHA: Danach gibt es im Warthegau bereits Erwägungen, die „nicht arbeitseinsatzfähigen“ Juden und Jüdinnen wegen der im Winter zu erwartenden Lebensmittelknappheit durch „irgendein schnell wirkendes Mittel zu erledigen“.

20. Juli 1941

Himmler beauftragt den ehemaligen Wiener Gauleiter Odilo Globocnik, seit 1939 SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, ein Konzentrationslager für bis zu 50.000 Häftlinge zu errichten. Der Reichsführer-SS bevollmächtigt ihn ferner, zur Besiedlung des neu eroberten „Ostraums“ SS-Stützpunkte (Zwangsarbeitslager) zu bilden. Mit dem SS- und Polizeiführer Friedrich Katzmann in Galizien wird Globocnik zum Hauptakteur der Liquidierung sämtlicher polnischer Juden und Jüdinnen und zum Motor der „Vernichtung durch Arbeit“. Beim Ausbau der Durchgangsstraße von Lemberg in die südliche Ukraine sterben die meisten jüdischen Zwangsarbeiter*innen an Entkräftung.

31. Juli 1941

Heydrich lässt sich von Göring beauftragen, „alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet in Europa“. Göring verlangt dazu einen Gesetzentwurf. Damit sichert sich Heydrich die Zuständigkeit für die territoriale „Endlösung der Judenfrage“, die nunmehr, nach der Zerschlagung der Sowjetunion, durch „Abschiebung nach dem Osten“ erfolgen soll.

Ende Juli 1941

Das 1939 von den Sowjets besetzte polnische Ostgalizien wird nach dem Einmarsch deutscher Truppen zum Schauplatz brutaler Pogrome – verübt sowohl von ukrainischen Nationalist*innen wie von SS-Einsatzkommandos. Bis Jahresende fallen den Massenerschießungen an die 60.000 Menschen zum Opfer.

Die „Einsatzgruppen“ beginnen mit der Liquidierung der jüdischen Bevölkerung einschließlich Frauen und Kindern in der Sowjetunion; desgleichen mit Massakern als angeblichen „Sühnemaßnahmen“ wegen Sabotage.

Die Stärke der Einsatzgruppen beträgt mehr als 3.000, die zu ihrer Verstärkung eingesetzten SS-Brigaden und Polizeibataillone weitere etwa 20.000 Mann.

6. August 1941

SS-Brigadeführer Dr. Walther Stahlecker, Leiter der Einsatzgruppe A, formuliert als Zielsetzung „eine fast 100% sofortige Säuberung des gesamten Ostlandes von Juden“.

15. August 1941

Reichsführer-SS Himmler lässt sich in Minsk eine Massenexekution vorführen. Angeblich soll er sich geekelt haben und am gleichen Tag befohlen haben, die Insassen einer Heilanstalt bei Minsk mit einem „weniger grausamen“ Mittel töten zu lassen.

1. September 1941

Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden und Jüdinnen im Deutschen Reich, die am 15. September in Kraft tritt: Vom sechsten Lebensjahr an müssen sie den „Judenstern“ tragen.

Am gleichen Tag ergeht die Anordnung, dass es Juden und Jüdinnen verboten ist, ihren Wohnbezirk ohne schriftliche Genehmigung der Ortspolizei zu verlassen.

2.-5. September 1941

Erste Massenvergasungen durch Zyklon B in Auschwitz; bei einer Aktion werden 250 kranke Häftlinge und 600 sowjetische Kriegsgefangene im Keller von Block 11 ermordet.

18. September 1941

Himmler erklärt – in einem Brief an den Gauleiter im „Warthegau“, Arthur Greiser –, Hitler wünsche, „dass möglichst bald das Altreich und das Protektorat vom Westen nach Osten von Juden geleert und befreit“ werden.

26. September 1941

Himmler befiehlt den Bau des Lagers Birkenau (Auschwitz II) für 100.000 Häftlinge.

27. September 1941

SS-Gruppenführer Heydrich wird „Reichsprotektor von Böhmen und Mähren“.

29./30. September 1941

Als Vergeltungsmaßnahme für eine angebliche Sabotageaktion in Kiew werden 33.771 Juden und Jüdinnen in der Schlucht von Babyn Jar erschossen. Ähnliche Massaker verüben die Einsatzgruppen in Kamenez-Podolsk (Ende August 1941), Mahiljou (Oktober 1941) und anderswo. Am 23. Oktober 1941 sah sich Himmler eine Massenerschießung in Mahiljou an und ordnete danach an, andere Tötungsmethoden zu suchen.

10. Oktober 1941

Der Oberbefehlshaber der 6. Armee, Generalfeldmarschall Walter von Reichenau, verlangt von den Soldaten „für die harte, aber gerechte Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis“ und befiehlt, „Erhebungen im Rücken der Wehrmacht, die erfahrungsgemäß stets von Juden angezettelt“ würden, „im Keime zu ersticken“. Der Befehl bezeugt die Mitverantwortung der Wehrmacht bei der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung – unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung.

Ein identischer Befehl ergeht am 20. November 1941 durch den Oberbefehlshaber der 11. Armee, Generaloberst Erich von Manstein.

12. Oktober 1941

„Blutsonntag in Stanislau“: Die Sicherheitspolizei verübt ein Massaker an einem Viertel der jüdischen Einwohner der ostgalizischen Stadt, für die angeblich kein Platz vorhanden ist. Mit diesen und anderen Pogromen begann der Völkermord an den Juden und Jüdinnen im „Generalgouvernement“.

Ab Mitte Oktober 1941 ⏤ (Abb. 4.4)

Eichmann organisiert erste Deportation aus dem Reichsgebiet ins Ghetto Łódź: 20.000 Juden und Jüdinnen aus Berlin, Köln, Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf, Wien und Prag sowie 5.000 Sinti*zze und Rom*nja aus dem Burgenland.

In der „Verordnung über Aufenthaltsbeschränkungen im Generalgouvernement“ wird Juden und Jüdinnen der Aufenthalt außerhalb der Ghettos untersagt. Sie werden in Arbeitslager gebracht. Zwei Tage später stimmt Generalgouverneur Hans Frank der „Umsiedlung“ der Juden und Jüdinnen aus dem Distrikt Lublin und damit deren physischer Vernichtung zu.

23. Oktober 1941

Die Auswanderung von Juden und Jüdinnen aus dem deutschen Herrschaftsbereich wird verboten.

24. November 1941

Errichtung des Ghettos und Konzentrationslagers Theresienstadt, das die Nazis aus Propagandagründen zur „Idylle“ zu verharmlosen versuchten. Von den 140.937 dorthin verbrachten Juden und Jüdinnen sterben hier über 33.500, mehr als 88.000 werden in Vernichtungslager deportiert.

Ende November/Anfang Dezember 1941

Weitere Deportationen von Juden und Jüdinnen aus dem Reichsgebiet nach Riga (25.000), Minsk (7.000) und Kowno/Kaunas (5.000), wo sie anschließend liquidiert werden. Bei der nach dem HSSPF benannten „Jeckeln-Aktion“ werden im Rumbuli-Wald bei Riga 30.000 deutsche Juden und Jüdinnen ermordet, im litauischen Kaunas werden am 25. und 29. November 49.934 Juden und Jüdinnen aus Deutschland und Österreich erschossen.

25. November 1941

Die 11. Verordnung zum „Reichsbürgergesetz“ bestimmt, dass Juden und Jüdinnen, die ihren Wohnsitz im Ausland haben (dazu wird auch das Ghetto Łódź gezählt), ihre Staatsbürgerschaft verlieren und ihr Vermögen an das Reich fällt.

4. Dezember 1941

„Polenstrafrechtsverordnung“ über die Strafrechtspflege gegen Pol*innen und Juden und Jüdinnen in den eingegliederten Ostgebieten. Die Verordnung bedroht jegliche Widerständigkeit von Pol*innen und Juden und Jüdinnen mit dem Tode.

8. Dezember 1941 ⏤ (Abb. 4.5) + (Abb. 4.6)

Ankunft der ersten Juden und Jüdinnen aus Łódź im Vernichtungslager Chełmno – darunter die Juden und Jüdinnen der ersten Deportation aus dem Reichsgebiet. Hierbei wird die Vernichtung in stationären Gaswagen praktiziert, entsprechend den in der Aktion „T 4“ an Patienten psychiatrischer Anstalten angewandten Methoden. Insgesamt werden in Chełmno mindestens 152.000 Juden und Jüdinnen umgebracht.

Gleichzeitig befiehlt Himmler dem SS- und Polizeiführer Globocnik, die noch lebenden polnischen Juden und Jüdinnen zu vernichten („Aktion Reinhardt“). Dazu errichtet Globocnik die drei Vernichtungslager Bełżec, Sobibór und Treblinka; später noch das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek.

11. Dezember 1941

Hitler erklärt den Vereinigten Staaten von Amerika den Krieg.

Ende 1941

Von den 562.000 deutschen Juden und Jüdinnen (1933) sind 320.000 emigriert und geflüchtet, weiteren 10.000 gelingt die Flucht noch später.

Mehr als 500.000 Juden und Jüdinnen sind von den Einsatzgruppen, SS-Brigaden und Polizeibataillonen ermordet worden.

(Abb. 3.8) Eingangstor des KZ Auschwitz I (Stammlager) mit der Aufschrift "Arbeit macht frei". Aufnahme von 2021.© Unsplash (Fotograf: Frederick Wallace)
(Abb. 4.1) Die Weisung Nr. 21, Fall Barbarossa.© Gemeinfrei
(Abb. 4.2) Geplante Vorstoßrichtungen im Unternehmen Barbarossa (1941)© Gemeinfrei
((Abb. 4.3) Vertreibung von Pol*innen aus Dörfern der Region Zamość im Dezember 1942. © Jerzy Piorkowski
(Abb. 4.4) Bekanntmachung des Stadthauptmanns Dr. Franke in Tschenstochau vom 24. September 1942. Wer Juden und Jüdinnen beherbergte, ihnen zu Essen gab oder ihnen Essen verkaufte, musste die Todesstrafe fürchten.© Gemeinfrei
(Abb. 4.5) Kinder werden aus dem Ghetto Litzmannstadt ins Vernichtungslager Kulmhof deportiert, 1942© Gemeinfrei
(Abb. 4.6) Vernichtungslagers Sobibór im Sommer 1943, Blick nach Osten auf das Lager I, im Hintergrund die Bahnstrecke.© Gemeinfrei

1942–1945

„Endlösung der Judenfrage“

Systematische Ermordung der Juden und Jüdinnen Europas

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1942
14. Januar 1942 ⏤ (Abb. 5.1)

Beginn der Konzentrierung niederländischer Juden und Jüdinnen, im Juni Abtransport nach Westerbork.

20. Januar 1942 ⏤ (Abb. 5.2) + (Abb. 5.3)

Wannsee-Konferenz unter Leitung Heydrichs über die Organisation der Vernichtung der Juden und Jüdinnen Europas. Im Protokoll heißt es: „Anstelle der Auswanderung (…) Evakuierung der Juden in den Osten.“ Nach einer Aufstellung des Deportationsspezialisten Eichmann wird mit rund 11 Millionen Juden und Jüdinnen gerechnet. Fortsetzung des Protokolls: „Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa von Westen nach Osten durchgekämmt.“ Die Konferenz dient vor allem dazu, den „Judenbegriff“ festzulegen beziehungsweise zu erweitern und die Transportmodalitäten festzulegen.

31. Januar 1942

Bericht der SS-Einsatzgruppe A über die Liquidierung von 229.052 Juden und Jüdinnen in den baltischen Staaten. Adolf Eichmann ersucht die Stapostellen im Reich um „gewissenhafte Feststellung der noch im Reichsgebiet ansässigen Juden“.

13. März 1942

Die Juden und Jüdinnen im Deutschen Reich müssen ihre Wohnungen kennzeichnen.

März bis Juli 1942

Umfangreiche Deportationen reichsdeutscher Juden und Jüdinnen in die Vernichtungslager und in das Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt.

17. März 1942 ⏤ (Abb. 5.4)

Beginn der Mordaktionen – erstmals fest installierte Gaskammern – in Bełżec („Aktion Reinhardt“). Globocnik lässt das Ghetto Lublin räumen und etwa 18.000 Juden und Jüdinnen in das Vernichtungslager verschleppen.

26. März 1942

Errichtung des Frauenlagers in Auschwitz-Birkenau.

Beginn der Deportationen aus der Slowakei (bis Ende 1944 ungefähr 70.000 Juden und Jüdinnen, davon 26.661 nach Auschwitz).

27. März 1942

Beginn der Deportationen von Juden und Jüdinnen aus Frankreich nach Auschwitz (bis Ende 1942 ungefähr 42.000, insgesamt 69.000).

Mai 1942

Beginn der Vernichtungsaktionen in Sobibor; bis Herbst 1943 werden hier 250.000 Häftlinge, vor allem Juden und Jüdinnen, umgebracht.

27. Mai 1942 ⏤ (Abb. 5.5) + (Abb. 5.6)

Attentat tschechischer Widerstandskämpfer auf den amtierenden Reichsprotektor Heydrich in Prag; er stirbt am 4. Juni.

4. Juli 1942

Erste systematische Massenvergasungen in Auschwitz-Birkenau.

15. Juli 1942 ⏤ (Abb. 5.7)

Erste Deportation niederländischer Juden und Jüdinnen von Westerbork nach Auschwitz. Bis 1943 fahren aus den Niederlanden wöchentlich zwei Deportationszüge dorthin, später nach Sobibór (insgesamt über 100.000 Deportierte, davon 60.000 nach Auschwitz), darunter auch die deutsche Jüdin Edith Stein.

17./18. Juli 1942

Der Reichsführer SS Himmler kommt zum zweiten Mal nach Auschwitz. Er besichtigt das Interessengebiet des Lagers und begutachtet in Birkenau die technische Abwicklung der sogenannten „Endlösung“.

19. Juli 1942

Himmler gibt in Lublin Globocnik den Befehl, die „Umsiedlung der gesamten jüdischen Bevölkerung des Generalgouvernements bis 31. Dezember 1942“ – also ihre Ermordung – zu beenden.

22. Juli 1942 ⏤ (Abb. 5.8)

Beginn der Räumung des Warschauer Ghettos und Deportation nach Treblinka: Bis September 1942 werden etwa 250.000 Warschauer Juden und Jüdinnen abtransportiert.

4. August 1942 ⏤ (Abb. 5.9)

Beginn der Deportationen aus Belgien nach Auschwitz: In 26 Transporten werden bis Ende Juli 1944 ungefähr 25.000 belgische Juden und Jüdinnen dorthin verschleppt.

7. August 1942

Deportation von 1.003 nach Frankreich geflüchteten deutschen Juden und Jüdinnen über das Lager Drancy nach Auschwitz.

In Auschwitz: SS-Hauptsturmführer Robert Mulka wird zum Adjutanten des Lagerkommandanten Höß ernannt. Im Frankfurter Auschwitz-Prozess ist er der ranghöchste Angeklagte, da Richard Baer, der Nachfolger von Rudolf Höß als Kommandant von Auschwitz, noch vor Prozesseröffnung gestorben ist.

10.-23. August 1942 ⏤ (Abb. 5.10)

Aus Lemberg werden 20.000 Juden und Jüdinnen nach Bełżec deportiert.

Mitte August 1942

Die deutschen Besatzungsbehörden erfassen die Juden und Jüdinnen im eroberten Kroatien. Insgesamt werden ungefähr 10.000 nach Auschwitz deportiert; schon zuvor hatte der Ustascha-Führer Ante Pavelić den Großteil der kroatischen Juden und Jüdinnen umbringen lassen.

5. November 1942

Fernschreiben von Gestapochef Heinrich Müller an alle Stapostellen, die im Reich liegenden Konzentrationslager „judenfrei“ zu machen. Die Häftlinge sollen allesamt nach Auschwitz und Lublin deportiert werden.

25./26. November 1942

Erste Deportation von Juden und Jüdinnen aus Norwegen nach Auschwitz. Insgesamt werden 759 norwegische Juden und Jüdinnen deportiert, davon 690 nach Auschwitz, von denen lediglich 25 überleben.

Karte der Vernichtungslager, der meisten großen Konzentrationslager (Arbeits-, Inhaftierungs- und Durchgangslager), der Hauptdeportationsrouten, Ghettos und Orten großer Massaker. (Grenzen etwa 1942. Vor- und Nachkriegsstaatennamen in Klammern.)© Gemeinfrei
(Abb. 5.1) Die Barracken im Durchgangslager Westerbork. Aufnahme nach der Befreiung.© Gemeinfrei
(Abb. 5.2) Besprechungsprotokoll der Wannseekonferenz, S.5. Rot unterstrichen die Stelle, an der von der "Evakuierung der Juden in den Osten" die Rede ist. S.8. Im zweiten Absatz die zweite zitierte Stelle.© Gemeinfrei
(Abb. 5.3) Das Haus der Wannseekonferenz, ehemals Villa Marlier, Aufnahme von 2015.© IMAGO / Jürgen Ritter
(Abb. 5.4) Geplünderte Haushaltsgegenstände und Gegenstände von Juden und Jüdinnen in Lublin, die in die Vernichtungslager deportiert wurden, 1942.© Gemeinfrei
(Abb. 5.5) Jozef Gabčík, ein tschechoslowakischer Widerstandskämpfer, der zusammen mit Jan Kubiš das Attentat auf Heydrich verübte. © Gemeinfrei
(Abb. 5.6) Jan Kubiš, ebenfalls tschechoslowakischer Widerstandskämpfer, der gemeinsam mit Jozef Gabčík in der "Operation Anthropoid" das Attentat auf Heydrich verübte. © Gemeinfrei
(Abb. 5.7) Fotografie von Edith Stein um 1920. Sie war eine jüdische Philosophin, die sich für die Rechte von Frauen einsetzte. 1942 wurde sie im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. In der katholischen Kirche wird sie als Heilige und Märtyrerin verehrt, 1998 wurde sie heiliggesprochen. © Gemeinfrei
(Abb. 5.8) Deportation polnischer Juden und Jüdinnen nach Treblinka aus dem Ghetto Siedlce, 1942© Gemeinfrei
(Abb. 5.9) Innenhof der Dossin-Kaserne im SS-Sammellager Mecheln. Von Juli 1942 bis September 1944 war hier im belgischen Ort Mechelen ein Durchgangslager für die Deportation Verfolgter aus Belgien in die Vernichtungslager. © CC BY 3.0, JMDV - Fonds Kummer
(Abb. 5.10) Gefängnishof in der Łącki-Straße im Ghetto Lemberg.© Gemeinfrei
1943
26. Februar 1943 ⏤ (Abb. 5.11)

Ankunft des ersten Transports von Sinti*zze und Rom*nja in Auschwitz, wo sie in ein „Zigeunerlager“ kommen (insgesamt 23.000).

27. Februar 1943

„Fabrik-Aktion“: Gegen die Deportation jüdischer Zwangsarbeiter aus Berliner Rüstungsfirmen protestieren mehrere hundert Ehefrauen in der Berliner Rosenstraße und verlangen die Freilassung ihrer (mit ihnen in „privilegierter Mischehe“ lebenden) Männer.

15. März 1943

Beginn der Deportationen griechischer Juden und Jüdinnen von Saloniki nach Auschwitz (bis August 1943 ungefähr 45.000).

22. März bis 26. Juni 1943

Die großen Krematorien mit Gaskammern (II-V) in Auschwitz werden fertiggestellt.

26. März 1943

Die „Fabrik-Aktion“ wird im ganzen Reichsgebiet fortgesetzt. Dabei sollen alle als Arbeitskräfte eingesetzten Juden und Jüdinnen deportiert werden. Von den 11.000 Betroffenen verbergen sich rund 4.000 im Untergrund.

April 1943

Errichtung des KZ Bergen-Belsen, zuerst Aufenthaltslager für Juden und Jüdinnen.

19. April 1943 ⏤ (Abb. 5.12) - (Abb. 5.15)

Beginn des Aufstandes im Warschauer Ghetto (am 16. Mai berichtet der dafür eingesetzte SS-Brigadeführer Jürgen Stroop, dass die „Zerschlagung des jüdischen Wohnbezirks“ erledigt sei; sein Bericht verschweigt, dass die Eingeschlossenen sich noch bis in den Herbst wehrten und von den Warschauer Juden und Jüdinnen 56.000 ihr Leben ließen.)

11. Juni 1943

Himmler befiehlt die Liquidierung aller polnischen, am 21. Juni auch aller im besetzten sowjetischen Gebiet gelegenen Ghettos.

19. Juni 1943

Nach einer Audienz bei Hitler auf dem Berghof notiert Himmler: „Der Führer sprach (…) aus, dass die Evakuierung der Juden trotz der dadurch in den nächsten 3 bis 4 Monaten noch entstehenden Unruhe radikal durchzuführen sei und durchgestanden werden müsse“.

1. Juli 1943

Die 13. Verordnung zum „Reichsbürgergesetz“ verfügt, dass das Vermögen der Juden und Jüdinnen nach ihrem Tod an das Reich fällt.

Oktober 1943

Weitere Morde in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“. In Bełżec, Sobibór und Treblinka sind mindestens 1,75 Millionen Juden und Jüdinnen aus Polen und anderen europäischen Ländern umgebracht worden.

1./2. Oktober 1943

Die beabsichtigte Deportation der dänischen Juden und Jüdinnen scheitert weitgehend; die Untergrundorganisationen verhelfen rund 7.200 Betroffenen zur Flucht nach Schweden; die Gestapo kann nur 475 verhaften.

6. Oktober 1943

Himmlers erklärt vor einer Versammlung von Reichs- und Gauleitern in Posen: „Ich bitte Sie, dass, was ich Ihnen in diesem Kreise sage, wirklich nur zu hören und nie darüber zu sprechen. Es trat an uns die Frage heran: Wie ist es mit den Frauen und Kindern? – Ich habe mich entschlossen, auch hier eine ganz klare Lösung zu finden. Ich hielt mich nämlich nicht für berechtigt, die Männer auszurotten – sprich also: umzubringen oder umbringen zu lassen – und die Rächer in Gestalt der Kinder für unsere Söhne und Enkel groß werden zu lassen. Es musste der schwere Entschluss gefasst werden, dieses Volk von der Erde verschwinden zu lassen“.

18. Oktober 1943

1.023 in Rom erfasste Juden und Jüdinnen werden nach Auschwitz deportiert, aus Italien insgesamt 5.951.

2./3./4. November 1943

In der „Aktion Erntefest“ werden die noch überlebenden Juden und Jüdinnen im Generalgouvernement liquidiert. Allein in den Lagern des Distrikts Lublin werden 40.000 – 43.000 Juden und Jüdinnen erschossen; eine der größten Erschießungsaktionen.

(Abb. 5.11) Gelb hervorgehoben: Das „Zigeunerlager“im KZ Auschwitz-Birkenau, eingezeichnet in ein Luftbild der Royal Air Force von 1944.© Gemeinfrei
(Abb. 5.12) Das wohl bekannteste Bild des Aufstandes im Warschauer Ghetto stammt aus dem Bericht des SS-Gruppenführers Jürgen Stroop an Himmler. Das Foto zeigt eine Gruppe von festgenommen Juden und Jüdinnen, die von deutschen Truppen aus einem Gebäude getrieben werden. Im Vordergrund zu sehen ist ein kleiner Junge, dessen Identität nie geklärt werden konnte. Stroop wurde nach dem Krieg durch ein polnisches Gericht zum Tode verurteilt und 1952 hingerichtet.© Gemeinfrei
(Abb. 5.13) Marek Edelman, einer der Anführer des Aufstands. Er war der einzige Kommandant der Widerstandskämpfer*innen, der den Aufstand überlebte. 2009 starb er in Warschau.© Gemeinfrei
(Abb. 5.14) Mordechaj Anielewicz, wesentlich beteiligt an der Organisation und Durchführung des Warschauer Ghetto-Aufstands. Er wurde während des Aufstandes getötet.© Gemeinfrei
(Abb. 5.15) Mira Fuchrer, polnisch-jüdische Widerstandskämpferin, nahm als Mitglied der Jüdischen Kampforganisation (polnisch: Żydowska Organizacja Bojowa, kurz ŻOB) am Aufstand im Warschauer Ghetto teil. Sie wurde während des Aufstandes getötet.© Gemeinfrei
1944
14. April 1944

Beginn der letzten Deportationen von Juden und Jüdinnen aus Saloniki (bis August 1944 etwa 10.000). Insgesamt werden aus Griechenland ungefähr 55.000 Juden und Jüdinnen deportiert.

15. Mai bis 9. Juli 1944

Eichmann leitet persönlich – unter Mithilfe ungarischer Polizeibehörden – die Deportation von 437.402 Juden und Jüdinnen aus Ungarn nach Auschwitz, von denen bis Ende des Jahres etwa drei Viertel in den Gaskammern ums Leben gebracht werden.

24. Juli 1944 ⏤ (Abb. 5.16)

Sowjetische Truppen besetzen das evakuierte Vernichtungslager Majdanek.

3. September 1944 ⏤ (Abb. 5.17)

Der letzte Transport aus den Niederlanden nach Auschwitz verlässt Westerbork – mit der 15-jährigen Anne Frank.

7. Oktober 1944 ⏤ (Abb. 5.18) + (Abb. 5.19)

Aufstand des Häftlings-Sonderkommandos in Auschwitz, das zum Dienst in den Krematorien gezwungen war, Zerstörung des Krematoriums IV und der dazugehörigen Gaskammern. Die SS erschießt 451 Häftlinge – keinem gelingt es, zu fliehen.

8. November 1944

Beginn des Todesmarsches Budapester Juden und Jüdinnen, die an der Reichsgrenze zu Schanzarbeiten eingesetzt werden sollen.

November 1944 ⏤ (Abb. 5.20)

Reichsführer-SS Himmler befiehlt die Einstellung der Vergasungen in Auschwitz und die Zerstörung der Krematorien/Gaskammern. Auf diese Weise will er seine Bemühungen unterstützen, doch noch mit den Westalliierten einen Sonderfrieden anzubahnen.

(Abb. 5.16) Foto des Konzentrations- und Vernichtungslagers Majdanek vom 24. Juni 1944. Im Vordergrund zu sehen: Halb abgerissene Baracken. Im Hintergrund die noch intakten Barracken.© Gemeinfrei
(Abb. 5.17) Anne Frank im Dezember 1941. Etwa ein halbes Jahr später bezog sie mit ihrer Familie das Versteck in einem Hinterhaus in der Amsterdamer Prinsengracht.© Gemeinfrei
(Abb. 5.18) Ala Gertner, *1912, im Jahr 1943. Zwischen Juli und August 1944 kam sie ins KZ Auschwitz, wo sie an den Vorbereitungen zum bewaffneten Aufstand beteiligt war. Die Flucht gelang niemandem, Ala Gertner wurde nach wochenlanger Folter gemeinsam mit drei anderen beteiligten Frauen im Januar 1945 auf dem Appellplatz des KZ öffentlich gehängt.© Gemeinfrei
(Abb. 5.19) Rózia Robota, *1921, auf einer Fotografie, die vor 1939 entstanden ist. Sie war bereits seit Sommer 1942 in Auschwitz-Birkenau interniert und zur Arbeit im "Kanada-Kommando" gezwungen. Sie freundete sich mit Ala Gertner an und spielte eine wichtige Rolle in der Vorbereitung des Aufstands. Zusammen mit Ala Gertner, Regina Safirsztajn und Ester Wajcblum wurde sie nach wochenlanger Folter im Januar 1945 auf dem auf dem Appellplatz des KZ öffentlich hingerichtet.© Gemeinfrei
(Abb. 20) Luftaufnahme von Birkenau, aufsteigender Rauch der Verbrennungsgruben. Aufgenommen von der Royal Air Force, August 1944.© Gemeinfrei
1945
17. Januar 1945

Beginn der Räumung von Auschwitz. Von den 66.000 Häftlingen, die in Todesmärschen ins Reichsgebiet getrieben werden, kommen 15.000 um oder werden, wenn sie nicht mehr weiterkönnen, von der SS erschossen.

27. Januar 1945

Die Rote Armee besetzt Auschwitz und befreit annähernd 8.000 zurückgelassene Häftlinge, von denen viele an Entkräftung sterben. Mindestens 1,2 Millionen Menschen, darunter 1 Million Juden und Jüdinnen, sind in Auschwitz ums Leben gebracht worden.

11. April 1945 ⏤ (Abb. 5.21)

In Buchenwald übernehmen nach der Flucht der SS-Wachmannschaften die Häftlinge das KZ und übergeben es den anrückenden amerikanischen Truppen.

15. April 1945 ⏤ (Abb. 5.22)

Das Konzentrationslager Bergen-Belsen wird von britischen Einheiten befreit; 14.000 Häftlinge sterben noch danach an Entkräftung.

28. und 29. April 1945 ⏤ (Abb. 5.23)

Alliierte Verbände befreien im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück 3.500 Häftlinge. Am Tag darauf besetzen amerikanische Truppen das KZ Dachau.

30. April 1945

Hitler verfügt in seinem „Politischen Testament“: „Vor allem verpflichte ich die Führung der Nation und die Gefolgschaft zur peinlichen Einhaltung der Rassengesetze und zu unbarmherzigem Widerstand gegen den Weltvergifter aller Völker, das internationale Judentum“. Er begeht am selben Tag Selbstmord.

7. Mai 1945

Die Rote Armee befreit das KZ Theresienstadt.

8./9. Mai 1945 ⏤ (Abb. 5.24)

Bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht gegenüber den Oberbefehlshabern der Alliierten.

(Abb. 5.21) Graffiti an einer Wand des KZ Buchenwald nach der Befreiung im April 1945. Davor befindet sich eine gehenkte Hitler-Puppe, daneben ein amerikanischer Soldat.© United States Holocaust Memorial Museum
(Abb. 5.22) Frauen und Kinder nach der Befreiung des KZ Bergen-Belsen in einer der Barracken.© Imperial War Museums, IWM BU 3805
(Abb. 5.23) Überlebende des KZ Dachau grüßen die US-amerikanischen Truppen.© United States Holocaust Memorial Museum, Courtesy of National Archives and Records Administration, College Park
(Abb. 5.24) Ausgabe der Aachener Nachrichten vom 8. Mai 1945, die als erstes freies Blatt ohne NS-Propaganda von der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht berichteten.© Gemeinfrei
Robert Mulka Bild von Fritz Bauer
Es ist ein Klima der Toleranz und Anerkennung erforderlich, aus der die Solidarität mit allem Menschlichen erwächst. Zu prüfen, wie es zu schaffen ist, ist des Schweißes aller Edlen wert.
Fritz Bauer

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Literaturhinweise:

© Irmtrud Wojak. Die Chronik wurde von der Autorin für die von ihr kuratierte Ausstellung Auschwitz-Prozess. 4 Ks 2/63. Frankfurt am Main (2004) erstellt und für die Webseite geringfügig überarbeitet. Die Ausstellung fand am historischen Ort des Prozesses im Bürgerhaus Gallus in Frankfurt am Main statt.

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