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Genocidium
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„Haupttäter“

Wer waren die „Haupttäter“?

In allen Fällen waren als Haupttäter anzusehen Hitler, Himmler und Heydrich, die die Einrichtung der KonzentrationslagerWas bedeutet das?, und insbesondere des Konzentrationslagers Auschwitz, befohlen haben und nach deren Willen in diesem Lager Auschwitz die Menschen der Vernichtung preisgegeben werden sollten.“ So die mündliche Urteilsbegründung im Auschwitz-Prozess, und weiter hieß es dort: „Inwieweit die Angeklagten nun an diesen Taten beteiligt sind, ob sie als Mittäter oder als Beihelfer tätig waren, das soll bei der Besprechung der einzelnen strafbaren Handlungen, die den Angeklagten zum Vorwurf gemacht werden, erörtert werden.“ (Strafsache gegen Mulka u.a., 4 Ks 2/63, Landgericht Frankfurt am Main, Mündliche Urteilsbegründung, 182. Verhandlungstag, 19.8.1965.)

Mit dieser Formel wurden nicht nur im Auschwitz-Prozess die Angeklagten entlastet. Nachdem Hitler und Himmler Selbstmord begangen hatten und Heydrich Opfer eines Attentats geworden war, gab es offenbar niemand mehr, der als (Haupt-)Täter zur Verantwortung  gezogen werden sollte.

Auch Adolf EichmannWas bedeutet das?, der Millionen Menschen in den Tod beförderte, berief sich vor Gericht auf seinen Kadavergehorsam und Befehlsnotstand. Er wollte sich von der Verantwortung freisprechen, indem er sich als kleines Rädchen in der Vernichtungsmaschinerie hinstellte. Der erfinderische Deportationsspezialist wollte, wie alle Machthaber des Nazi-Regimes, bloß noch ein Befehlsempfänger gewesen sein.

In welchem Ausmaß die Rechtsprechung in den NS-Prozessen in Deutschland die Verantwortung des Einzelnen und der gesamten Gesellschaft ausblendete, wird daran deutlich. Von der Spitze bis ans unterste Ende der NS-Hierarchie beriefen sich NS-Täter auf Befehlsnotstand und ihren Gehorsam.

Jahrzehntelang verhallte ungehört, was Fritz Bauer ihnen entgegenschleuderte: „Ihr hättet Nein sagen müssen.“

Robert Mulka Bild von Fritz Bauer
Kleine Hitlers, Heydrichs, Eichmanns gab es viele. Sie alle waren schlecht weggekommene, durchgefallene, verkrachte Existenzen, obdachlose, uneheliche verkannte Genies, erfolglose Streber und Ehrgeizige, die die Chance bekamen, großzutun, und Größe und Stärke mit Härte, Gewalt und Brutalität verwechselten.
Fritz Bauer

Die Machthaber und ihre willige Gefolgschaft

Die Machthaber des „Dritten Reiches“ waren nicht nur eine kleine Gefolgschaft im Sinne von: „Führer befiehl, wir folgen Dir!“ Sie waren die Glieder einer einzigartigen Verschwörung. Unter ihnen herrschte Übereinstimmung im Wollen und Handeln, ideologische und aktive Identität war das Grundprinzip der nationalsozialistischen Diktatur.

Kennzeichnend für die NS-Täter*innen war ihr vorauseilender Gehorsam, die besinnungs- und hemmungslose Bereitschaft zur Befehlsausführung und damit zu jedem Verbrechen, die Totalität des Einsatzes, ihre Rivalität um die Gunst der Machthaber.

Ihre Motivation war persönlicher Ehrgeiz, ein extremer Nationalismus, ein radikaler Antisemitismus, eine rassistische Weltsicht, die eins wurden in der Verwirklichung der „Endlösung der Judenfrage“, der beabsichtigten Auslöschung des „jüdischen Bolschewismus“ im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Mit anderen Worten, in der beabsichtigten Ermordung aller Juden und Jüdinnen in Europa im Zweiten Weltkrieg.

Insofern hat es nie einen „Führerbefehl“ gegeben – es brauchte ihn nicht.

Robert Mulka Bild von Fritz Bauer
Hinter der bei Gerichten bis hinauf zum Bundesgerichtshof beliebten Annahme bloßer Beihilfe steht die nachträgliche Wunschvorstellung, im totalitären Staat habe es nur wenige Verantwortliche gegeben, es seien nur Hitler und ein paar seiner Allernächsten gewesen, während alle übrigen lediglich vergewaltigte, terrorisierte Mitläufer und depersonalisierte und dehumanisierte Existenzen waren, die veranlasst wurden, Dinge zu tun, die ihnen völlig wesensfremd waren. (…) Dergleichen hat mit der historischen Wahrheit wenig zu tun.
Fritz Bauer

Weitere Hauptverantwortliche
des Holocausts

Haupttäter Bild von Adolf Hitler
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Adolf Hitler
Haupttäter Bild von Himmler
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Heinrich Himmler
Haupttäter Bild von Heydrich
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Reinhard Heydrich
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Hermann Göring
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Dr. Joseph Goebbels
Haupttäter Bild von Frank
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Dr. Hans Frank
Haupttäter Bild von Streicher
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Julius Streicher
Robert Mulka Bild von Fritz Bauer
Massen stehen ständig am Rande der Kriminalität, sie besitzen eine latente Bereitschaft, Verbrechen zu begehen. Der Nazismus hat es ihnen besonders leicht gemacht, weil seine Führer selbst kriminell waren und bestimmten Formen der Kriminalität die Tür öffneten. Erschreckend bleibt, wie viele mitmachten und wissend die Augen zudrückten und schwiegen (…).
Fritz Bauer

Adolf Eichmann

ein besonderer Fall für Fritz Bauer

© U.S. National Archives

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Glossar

Literaturhinweise:

Fritz Bauer, „Mörder unter uns (1958)“, in: Ders., Die Humanität der Rechtsordnung. Ausgewählte Schriften. Hrsg. v. Joachim Pereles und Irmtrud Wojak. Frankfurt am Main, New York: Campus 1998, S. 97-100.

Irmtrud Wojak, Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie. München: C.H. Beck 2009.

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